Vegetarier Festival auf Phuket/Thailan d

 

Thailand ist schon ein faszinierendes Land. Meine Reisen in dieses durch Sextourismus eigentlich verpönten Landes sind mir unvergessen. Ein absoluter Höhepunkt war aber das "Vegetarier Festival" auf der Insel Phuket. Es war ein besonderer Zufall, der uns zu aktiven Teilnehmern dieses großen und wichtigen Festes im südostasiatischen Raum werden ließ.

Wir hatten uns ein wunderschönes Hotel ausgesucht: das Phuket Meridian. Es ist etwas außerhalb von Patong, an einer der schönsten Buchten die ich je gesehen habe, gelegen.Zu dieser Bucht, die nur für die Gäste des Meridian reserviert war, kamen täglich thailändische Strandboys mit einem Schnellboot und boten den Gästen verschiedene Wassersportaktivitäten an. Mein Freund Gerd musste sich natürlich gleich wieder an den Fallschirm hängen um ein wenig über die Bucht zu segeln, und um sich fast den Fuß in der drehenden Schraube des Bootes abzuhacken. Auf diese Weise kamen wir mit den Jungs ins Gespräch. Mit ein paar Brocken Englisch, wild gestikulierender Zeichensprache und viel, ja sehr viel Intuition war diese Unterhaltung möglich. Die Freundlichkeit der Thailänder gegenüber Fremden ist einfach überwältigend.

Zurück von einem Ausflug aus Phuket Stadt, erzählten wir den Jungs von dem kleinen Festumzug, den wir durch Zufall gegen Mittag gesehen hatten. Ein Umzug der mit viel Getöse aus einem Tempel heraus startete und in dem sich junge Thailänder selbst mit Peitschen und Buschmessern kasteiten. Eine sehr nette, ältere thailändische Dame hatte uns auf diesen Umzug hingewiesen. Auch bei dieser Dame haben wir diese sprichwörtliche Freundlichkeit erlebt. Es sei das "Vegetarier Festival", erklärte man uns, und dieser Umzug sei nur ein Vorgeplänkel gewesen. Dieses Fest dauert 9 Tage und bringt die gesamte Insel auf Trap. Zehntausende von Menschen strömen aus dem ganzen südostasiatischen Raum zu diesen Festlichkeiten, wurden wir aufgeklärt. Ja, welch Überraschung, unsere Jungs würden ebenfalls daran teilnehmen, und einer von ihnen, er nannte sich Max, sei sogar eines der Medien, in welche die Geister fahren um sich dann den grausam erscheinenden Glaubensprüfungen zu unterwerfen. Sie werden für diese Zeit Heilige sein, die von den Zuschauern ehrfurchtsvoll und betend betrachtet werden. Ob wir keine Lust hätten, mit Ihnen am Fest teilzunehmen, wurden wir gefragt. Wir drei schauten uns an, dachten an den für Westeuropäer sehr gewöhnungsbedürftigen Umzug vom Mittag, bei dem es uns bald schlecht geworden ist, und sagten mit mehr oder minder gemischten Gefühlen zu. Sonst hätten wir sicherlich unser Gesicht verloren, und das wollten wir natürlich nicht. Alle waren begeistert. Am nächsten Tag um halb drei würde man uns abholen. Wir sollten unbedingt weiße Hosen anziehen. Kein Problem, machten wir den Jungs klar, um halb drei werden wir am Hoteleingang, mit weißen Hosen stehen. Ganz kleinlaut, beim Abschied, sagte man uns dann allerdings, dass man nicht den Nachmittag meine, sondern halb drei des Morgens!!!

Die Informationswege eines großen Hotels sind unergründlich. Im Nu hatte es sich herumgesprochen, dass wir am großen Umzug teilnehmen würden. Plötzlich kannten uns alle Angestellten des Hotels und man betrachtete uns mit einer besonderen Hochachtung.

Pünktlich halb drei standen wir in weißen Hosen vor dem Hotel und warteten auf den Pick Up der uns abholen sollte. Wir waren alle drei vollkommen "neben der Kapp'". Es gibt fast nichts Schlimmeres, als um diese Zeit aufzustehen. Schon kam der Pick Up, und ehe wir uns versahen waren wir bei stockdunkler Nacht in einer ganzen Gruppe von jungen Thailändern und bereiteten uns auf die Prozession vor. Wir erhielten - wie alle anderen auch - noch ein weißes T-Shirt, so dass wir nun vollkommen weiß gekleidet waren. Das T-Shirt hatte eine rote Schrift auf dem Rücken. Sicherlich war diese Reklame von einem Sponsor. Wir hatten natürlich keine Ahnung, was da in thailändischen Lettern auf unserem Rücken prangte, wir haben es auch nie 'raus bekommen. Auf der Pritsche des Pick Up ging es auf nach Phuket Stadt.

Es war noch dunkel, als wir ankamen und uns sofort auf den Weg zum Tempel machten. Um uns herum wimmelte es wie in einem Ameisenhaufen von weiß gekleideten Thailändern. Weiß war die vorherrschende Farbe des Vegetarier Festivals. Im Tempelbereich wurden für die Teilnehmer kostenlos Speisen verteilt. Es waren ausschließlich Thailänder zu sehen. Mir schien es, als seinen wir die einzigen westeuropäischen Touristen gewesen, die sich zu diesem Zeitpunkt hier aufhielten. Wir galten als aktive Teilnehmer der Prozession, und so wurden wir auch behandelt. Es war unglaublich, mit welch einer Normalität man mit uns umging. Wir hatten anfänglich große Hemmungen, uns voll zu integrieren. Aber mit einem ungeheuren Sog wurden wir in das Geschehen hineingezogen. Es blieb uns gar nichts anderes übrig, als mit zu machen. Wir wurden von der ganzen Stimmung mitgerissen. Bald war ich mit meiner Kamera an vorderster Front. Alle machten mir Platz, so dass mir unglaubliche Schnappschüsse gelangen.

Die Wurzeln des Vegetarier Festivals liegen ca. 200 Jahre zurück. Es ist im eigentlichen Sinne kein buddhistisches Fest. Auf Phuket arbeiteten viele Chinesen in den Zinngruben. Man erzählt sich, dass damals ein chinesisches Wandertheater auf Phuket gastierte. Zur gleichen Zeit brach eine verheerende Seuche aus, an der viele Einwohner der Insel starben. Heute nimmt man an, dass es Malaria war. Es gab keine Medizin, nichts half. Da besannen sich die Chinesen auf Ihre traditionellen Methoden und baten den chinesischen Hof um sachkundige Priester, die sich mit den religiösen Zeremonien auskannten. Die alten Zeremonien wurden durchgeführt und die Seuche verschwand. Bis heute haben sie sich erhalten und ziehen viele Gäste aus dem gesamten südostasiatischen Raum an.

Das eigentliche Fest dauert 9 Tage mit einer Unzahl von verschiedensten Veranstaltungen. Die Prozession an der wir teilnahmen, war  die  größte, daneben gab es aber viele kleinere und auch Veranstaltungen im Stadion der Stadt. Wer aber an den Prüfungen teilnehmen will, muss seine Seele schon Wochen vorher reinigen, um den neun herrschenden Göttern eine saubere Heimstatt zu bieten. Kein Alkohol, kein Nikotin, kein Fleisch, kein Sex, keine Lügen, nur gute Gedanken dürfen im Kopf sein. So geläutert tritt der Gläubige im Tempel vor den Altar und erwartet den Einzug der Götter in seinen Körper. Die Gläubigen sind erregt! Auch unserem thailändischen Freund Max konnte man die starke Erregung im Gesicht ansehen. Langsam entglitt er der Realität und tauchte in eine andere Welt ein, deren Zugang uns anderen verwehrt war. Wie die übrigen Teilnehmer band auch er sich eine Art bunter Schürze um. Auf dieser Schürze prangte das chinesische Symbol Tai-Chi, das Symbol für die Polarität von Yin und Yang (männlicher und weiblicher Energie). Er verschwand in höchster Erregung im Tempel um nach einiger Zeit in einem Trance ähnlichen Zustand wieder zu erscheinen. Er nahm, so schien mir, nichts mehr um sich herum wahr. Seine Freunde hatten bereits sein Tortourinstrument, eine ca. 6 Meter lange Eisenstange, bereit gemacht und mit einer mitgebrachten "heiligen" Flüssigkeit desinfiziert. Vor einem Schrein auf dem Tempelvorplatz verzauberte er die Stange mit einem mitgebrachten Drachenkopf, der an einem langen, bunten Band befestigt war. Mit glasigen Augen fuhr er mit dem Drachenkopf ganz langsam von einem Ende der Stange zum anderen. Dann trat er vor den Schrein und die bereitstehenden Helfer stießen ihm die Stange durch seine Wange. Im Zeichen von AIDS haben heute alle Helfer Gummihandschuhe an und  es schien mir, als sei der zustechende Helfer ein Arzt.

Vor dem Schrein herrschte das absolute Chaos. Ununterbrochen strömten die von den Göttern beherrschten Gläubigen aus dem Tempel und ließen sich mit allen möglichen Gegenständen malträtieren. Neben dünnen Spießen, die durch die Haut gestoßen wurden, gab es Ankerketten, Anker, Wasserschläuche, mit denen gleich ganze Gruppen verbunden wurden, ich habe sogar Palmwedel und ganze, junge Bäume gesehen, die man sich durch die Wange gestoßen hatte. Angeblich verspüren die "Medien" - so kann man sie sicherlich bezeichnen - keinen Schmerz. Das behauptete auch unser Freund. Er  beschwerte seine  Stange zusätzlich noch mit jeweils drei schweren Ananas an jeder Seite.

Als es langsam hell wurde begann die Prozession. Die Freunde unseres "Heiligen", zu denen wir nun auch gehörten, stellten sich hinter der Stange auf und begleiteten ihn von nun an. Es war rührend mit anzusehen, mit welcher Frömmigkeit unsere ansonsten auf hart machenden Strandjungs sich dieser Prozession hingaben. Nach wie vor waren wir die einzigen Europäer. Unsere Hemmungen an der Prozession teil zu nehmen waren noch immer nicht ganz verschwunden. Wir versuchten uns unter die Besucher zu mischen, die sich nun langsam einfanden. Keine Chance! Unsere Freunde holten uns auf der Stelle zurück und so zogen wir mit ihnen durch Phuket, hinter unserem Max her.

Die Prozession begann in den armen Vierteln der Stadt. Überall waren Fahnenträger. Große chinesische Straßendrachen liefen zwischen den Teilnehmern umher. Aber es gab nicht nur weiße Farben zu sehen. Das ganze Fest wir mittlerweile auch von großen Unternehmen gesponsert, die "ihre" Teilnehmer dann in Ihren Firmenfarben einkleiden, wie das Foto mit den kleinen Kodak-Mädels dokumentiert.

Stunde um Stunde ging es durch die Straßen. Immer mehr Zuschauer fanden sich am Straßenrand ein. Es waren zig Tausende. Mit großer Hingabe, Frömmigkeit und  mit gefalteten Hände, standen die Besucher am Rande. Überall waren in den Hauseingängen  Altäre aufgestellt. In den armen Bezirken kleine, in den reicheren immer größere. Räucherstäbchen wurden verbrannt. Man schaute mit großen Augen auf die "Heiligen", die nun Wohnstatt der neun herrschenden Götter waren. Immer wieder wurden den Prozessionsteilnehmern Getränke und Erfrischungen gereicht, die auf den Altären standen. Auch uns Europäern. Schnell fühlten wir uns dazugehörig. Mich hielt allerdings nicht viel hinter der Stange. Mit meiner Kamera war ich ständig auf Motivsuche.

Irgendwann hörten wir eine immer intensiver werdende Knallerei.  Nur ca. 200 Meter vor uns waren die Träger der Geisterhäuser. Diese Geisterhäuser wurden von explodierenden Böllern begleitet. Je reicher die Bezirke, desto lauter wurde es. Ich nehme an, dass mit diesem Getöse die bösen Geister vertrieben werden sollten. Die Träger hatten Handtücher um ihre Köpfe gebunden, weil Unmengen von Knallkörpern auf die Geisterhäuser geworfen wurden. An meterlangen Bambusstangen hingen eben so lange Ketten von Knallkörpern, so wie wir die kleinen Ketten von Chinakrachern zu Sylvester anzünden, waren es hier mehrere Meter lange Ketten. Es war unglaublich! Die Straße war rot von den Papierfetzen. Alles war in fast undurchsichtigen Rauch eingehüllt. Die Geisterhäuser wurden von den Trägern durch dieses Chaos geschleust. Dabei rannten sie von einer Straßenseite auf die andere. Als sie mich mit meiner Kamera sahen, schossen sie auf mich zu, um auch ja gut fotografiert zu werden.

Gegen Mittag brannte die Sonne unbarmherzig vom Himmel. Langsam - trotz Erfrischungen - ließ unsere Kondition nach. Irgendwann haben wir uns dann ausgetaktet, sonst wären wir wahrscheinlich bald umgekippt. Es war ein unglaubliches Erlebnis, das ich auf keinen Fall missen möchte. Ich kann Phuket-Urlaubern nur empfehlen, ihren Urlaub so zu legen, dass man sich dieses Fest anschauen kann. Auch wenn man nicht gerade wie wir das Glück hat aktiv teilnehmen zu können, ist es trotzdem ein Erlebnis, das nur wenige Touristen zu sehen bekommen. Es ist noch nicht zu einer reinenTouristenattraktion verkommen. Wer steht im Urlaub schon um 2 Uhr morgens auf?

 

 

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